Esslingen bedeutet für mich, und vielleicht auch für Sie, zu Hause zu sein. Ein Ort, der so gestaltet ist und den auch wir so gestalten, damit wir hier ein Leben führen können, das unseren Vorstellungen entspricht.
Doch was ist, wenn Esslingen so konzipiert wäre, dass Ihr Aufenthalt an manchen Plätzen nicht gewünscht ist? Sie das Gefühl haben, dass der Ort, an dem Sie den größten Teil ihres Alltags verbringen, nicht für Sie gemacht ist und sie ablehnt? Für manche Menschen ist diese Beschreibung leider kein reines Gedankenspiel, sondern Alltag.
Hostile Design
Wenn das Stadtbild geplant wird, werden marginalisierte Menschen noch weiter an den Rand der Gesellschaft und aus den Innenstädten gedrängt. Begriffe wie Hostile Design (engl., „feindlich“), Defensive Architektur oder Anti-Obdachlosen-Architektur beschreiben die Form der Präventionsarchitektur. Der Grundgedanke der Präventionsarchitektur ist es, öffentliche Räume durch Design oder Material so zu gestalten, dass bestimmte Handlungen ermöglicht oder verhindert werden. Dadurch übt Hostile Design eine oft subtile Art der sozialen Kontrolle aus, die vorgibt, wie wir handeln sollen.
Im öffentlichen Raum soll präventiv für Sicherheit gesorgt werden, indem Unfälle, Kriminalität, Vandalismus oder störendes Verhalten, durch das subtile Lenken des Hostile Designs, möglichst vermieden werden sollen.
Doch was ist mit Menschen, die ihren Alltag oder einen großen Teil davon im öffentlichen Raum verbringen? Wie zum Beispiel wohnungslose Menschen, Menschen die von einer Sucht betroffen sind oder Jugendliche? Hostile Design führt dazu, dass diese marginalisierten und meist konsumschwachen Gruppen aus den Innenstädten und somit aus der gesellschaftlichen Wahrnehmung verdrängt werden. Dadurch sollen die Innenstädte attraktiv für konsumstärkere Menschen werden, die in den Innenstädten dann ihr Geld ausgeben.
Wenn man sich mit dem Thema „Hostile Design“ auseinandersetzt, findet man oft Beispielbilder aus aller Welt. Doch wie sieht es in Esslingen aus? Ist der Ort, den wir als unser Zuhause kennen, wirklich ein Ort, der jeden willkommen heißt, oder findet sich Hostile Design auch in unserer Stadt wieder? Mit dieser Frage bin ich durch Esslingen gelaufen und habe mich in der Innenstadt umgeschaut und Beispiele gesucht.
Die unterschiedlichen Formen des Hostile Design
Nach Karl de Fine Licht kann Hostile Design grob in vier verschiedene Arten unterteilt werden:
Die erste Form ist die Modernisierung. Hier werden neue Objekte so gestaltet, dass nur gewisse Handlungen möglich sind. Viele Mülleimer in der Innenstadt sind so konzipiert, dass Pfandflaschensammler*innen diese nicht einsehen können und so auch nicht sehen, wo sie hineingreifen (siehe erstes Foto der Bildershow). Die Fenstersimsen wurden so abgeschrägt, sodass es unmöglich ist, sich dort zu setzen oder gar nur Gegenstände dort abzustellen (siehe zweites Foto der Bildershow).
Die zweite Form ist die Modifizierung, bei der bestehende Objekte so verändert werden, dass die Nutzung eingeschränkt ist. Hauseingänge oder Unterschlupfmöglichkeiten wurden nachträglich so verändert, dass das Schlafen bzw. Verweilen dort nicht möglich ist (siehe drittes Foto der Bildershow). Selbst bei der Stadtkirche St. Dionys sind Gitter installiert, damit das Verweilen dort verhindert wird (siehe viertes Foto der Bildershow). Das Ufer am Maille Park ist mit einem Zaun abgesperrt, sodass auch dort kein Aufenthalt möglich ist (siehe fünftes Foto der Bildershow).
Auch das Entfernen von Objekten bzw. das Nicht-Ersetzen, zählt zum Hostile Design. Auch hierfür finden sich Beispiele in unserer Stadt.
Die vierte Form ist das Nudging (engl. Nudge, „schubsen“, „anstoßen“), bei dem das Verhalten von Menschen durch technische Hilfsmittel gelenkt wird. Beispielsweise durch helles Licht, ultraviolettes Licht oder klassische Musik [1]. Durch eine Überwachungskamera wird der Platz als Aufenthaltsort unattraktiv (siehe sechstes Foto der Bildershow).
Fazit und Schlusswort
Je länger man sich mit dem Thema auseinandersetzt, umso mehr Beispiele findet man in Esslingen. Die Stadt Esslingen wirbt auf Ihrer Website mit Inklusion und dass dies bedeute, die Vielfalt der Menschen zu schätzen [2]. Jedoch wird hier eine Diskrepanz sichtbar, wenn die Architektur in der Esslinger Innenstadt dazu beiträgt, marginalisierte Gruppen aus der Innenstadt zu verdrängen.
Eva Schrantz
Verfasserin des Artikels
Hinweise und Literaturverzeichnis
Inhaltlicher Stand: 23.12.2021.
Hinweis: Bei sämtlichen gezeigten Fotografien handelt es sich um eigene Aufnahmen.
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Lukas Pascher 2021: Hostile Design: Der feindliche öffentliche Raum. (16.12.2021) [1] |
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Stadt Esslingen am Neckar (Hrsg.): Mach ES inklusiv. (16.12.2021) [2] |